Abenteuer Alltag – was mit Kind(ern) alles möglich wird, wenn wir es wagen, anders zu denken.

Letztes Wochenende war es wieder so weit: drei Tage mitten in der Natur, barfuß auf der Wiese, tanzen unterm Sternenhimmel, gemeinsames Singen am Lagerfeuer und Kinderlachen überall. Wir – mein Lieblingsmensch, „meine“ Kinder und ich, haben uns diese kleine Auszeit gegönnt. Eine Art Mini-Retreat auf einer zauberhaften Insel: Kein Handyempfang, kein Strom, kein fließend Wasser und vor allem kein „Du musst noch schnell…“.

Hier bestimmen Sonne und Mond den Rhythmus, nicht Uhrzeiten und Termine. Die Wiesen sind ungemäht, das Wasser des Sees glitzert zwischen hoch gewachsenen Bäumen, und am Rand der Lichtung begegnet man Pferden oder einem neugierigen Schaf.

Während die Kinder, mit zerzausten Haaren und roten Wangen Spontarnung spielten, tauschten wir Erwachsenen uns mit anderen aus, nahmen an einem der Workshops teil oder lauschten den Klängen der Natur und waren ganz im Moment.


„Das geht bei mir nicht!“ – oder doch?

Manche denken vielleicht beim Lesen: „Klingt toll, aber für mich ist das nicht möglich.“

In einem meiner Kurse erzählte mir eine Frau, wie sehr sie sich wünscht, mal wieder mit ihrem Partner ins Kino zu gehen. Aber das Baby abgeben? Für sie undenkbar. Wir haben gemeinsam überlegt, wie es trotzdem gehen könnte. Mit dem Kinderwagen-Kino eröffnete sich für sie eine neue Möglichkeit: aktuelle Filme, tagsüber, nicht stockdunkel, mit leiserer Lautstärke und Platz für den Kinderwagen.

Eine andere Teilnehmerin vermisste die Spieleabende bei Freunden. Und obwohl diese Freunde keine Kinder haben, war für sie klar: Spieleabend heißt, dass sie hingehen, weil sie das eben „schon immer so gemacht“ haben. Als eine andere Frau fragte, ob die Freunde nicht einfach auch mal zu ihnen kommen könnten, war sie ganz überrascht. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht.“


Wege finden, nicht warten

Nach der Trennung vom Vater meiner Kinder war ich fast drei Jahre lang im Wechselmodell in meiner Woche allein für sie verantwortlich. Zwei Möglichkeiten lagen auf der Hand: Entweder ich bleibe so lange zu Hause, bis sie groß genug sind, oder ich finde Wege, unser Leben trotzdem bunt und aktiv zu gestalten.

Also fuhr ich allein mit meinen beiden Nichtschwimmer-Kindern, einem Zweijährigen und einem Fünfjährigen, ins Strandbad. Eines davon eher „vernünftig“, das andere mit Ninja-Skills – kaum dreht man sich drei Sekunden weg, ist das Kind verschwunden. Wie das trotzdem funktionieren konnte? Wir haben uns auf ein paar Absprachen geeinigt und gemeinsam ausprobiert, wie wir sicher Spaß haben können weil Wasser eben auch immer eine Gefahr ist. Zu meiner eigenen Überraschung hat das erstaunlich gut funktioniert, sodass solche Ausflüge bald ein fester Bestandteil unserer Sommerzeit wurden. Heute traue ich mir dort sogar Kindergeburtstage zu.


Mehr als ein Ausflug: Wildnis Wochenende

Danach wagten wir uns auch in ein echtes Abenteuer: ein Wildnis Wochenende. Für drei Tage zog es uns zusammen mit anderen Familien hinaus in die Natur: Tierspuren lesen, Kräuter sammeln und Limonade daraus zubereiten, schnitzen, am Lagerfeuer singen, Bogenschießen, barfuß über Waldwege laufen,… Komplett rustikal, auch hier bewusst ohne fließend Wasser oder Handyempfang, keine Uhrzeiten, dafür eine liebevoll unterstützende Gemeinschaft,  gemeinsames Kochen und Essen und die Sicherheit einer festen Gruppe. Immer wieder hörte ich Sätze wie:

„Wow, dass du das allein mit zwei Kindern machst – das würde ich mir nicht zutrauen.“

Aber warum eigentlich nicht und was wäre die Alternative? Ich durfte immer wieder die Erfahrung machen, dass viele Menschen gerne bereit sind zu helfen.

Bei der Nachtwanderung nahm eine andere Frau mein großes Kind an die Hand, als mein kleines auf meinem Arm eingeschlafen war (an die Trage hatte ich natürlich nicht gedacht). An einem anderen Tag war ich mittags völlig erschöpft. Während das große Kind mit anderen eine Höhle baute, versuchte ich, den Wirbelwind im Auge zu behalten. Eine Frau aus dem Team sprach ein Elternpaar an, deren Kinder älter waren, ob sie kurz übernehmen könnten. Sie sagten wie selbstverständlich „Ja“, denn auch ihre Kinder waren einmal klein und ihre Nächte kurz.

In den Herbstferien verbrachten wir eine Woche mit einer solchen Gruppe in fester Unterkunft, täglich ging es in den Wald. Auf der Hälfte der Zeit hebelte es ein Kind nach dem anderen mit Magenverstimmung aus. Als der Kleine in der Trage verdächtig ruhig wurde und mir plötzlich ins Genick sagte: „Mama, mir ist schlecht“, blieb keine Zeit mehr zum Reagieren. Kurz darauf war klar: Wir würden den Rest des Tages zwischen Badezimmer, Waschmaschine und Bett verbringen. Damit mein Erstgeborener trotzdem noch etwas vom Tag hatte, fragte ich die Eltern seines neuen Freundes, ob sie ihn mitnehmen würden. Sie zögerten keine Sekunde.

Und am Abend bekam ich von allen Seiten warme Kleidung geliehen, denn meine Sachen waren noch nicht getrocknet.


Zurück zum Festival

Während ich also so da saß und das alles aufsaugte, erinnerte ich mich an letztes Jahr. Da gab es den Bonuspapa noch nicht in unserem Leben und ich hatte das Festival-Wochenende innerlich schon abgehakt: „Schön, aber an dem Wochenende habe ich die Kinder. Geht also nicht“ Denn auch ich gebe meine Kinder nur sehr ungern ab, besonders seit ich sie durch unser Wechselmodell nicht mehr täglich sehe.

Zwei Tage vor dem Termin fragte mich eine Freundin, ob man dort nicht auch mit Kindern hinfahren könne. Daran hatte ich nicht gedacht. Also nachgefragt und tatsächlich: möglich! Ich freute mich riesig über ihre Idee. Spät abends haben wir zwei alleinstehenden Frauen dann die Tickets gebucht, am nächsten Tag gepackt, was wir irgendwo auftreiben konnten und sind kurz darauf mit vier Kindern losgezogen.

Ich war gerade umgezogen und meine Campingausstattung ein wild zusammengewürfeltes Sammelsurium: Frischhaltedosen als Geschirr, Yogamatte statt Isomatte, Kuscheldecken statt Schlafsack, den Rucksack voll Klamotten, als würden wir zwei Wochen bleiben. Der Bollerwagen (von den neuen Nachbarn geliehen) war bis oben hin beladen.

Es war improvisiert, chaotisch, und eine der schönsten und kraftvollsten Entscheidungen, die ich allein getroffen habe. Wir hatten es warm. Wir hatten Spaß. Wir hatten uns.

Abends am Lagerfeuer legte sich der Wirbelwind mit „Mickey-Mäusen“ auf den Ohren auf die Liege, während mein erstes Kind ins Feuer schaute. Ich tanzte zwischen meinen beiden Kindern zur Musik, bis auch das noch wache Kind schließlich müde wurde. Dann plumpsten wir erschöpft, aber glücklich in unsere improvisierten Betten. Zumindest bis der kleine Frühaufsteher gegen sechs Uhr ausgeschlafen hatte. Aber das ist eine andere Geschichte…


Was bleibt

Mein großes Kind sagte letztes Jahr am Feuer: „Mir geht es hier gut. Du darfst auch mal etwas für dich tun. Ich sage dir Bescheid, wenn ich schlafen will.“ Zugegeben, das hat nicht perfekt geklappt. Fast hätte ich beide Kinder schlafend ins Bett tragen müssen. Dennoch: Jede*r hat eigene Wünsche und Bedürfnisse und es ist völlig in Ordnung, sich darum zu kümmern. Es bedeutet keinen Bruch in der Beziehung. Und man kann das sogar gemeinsam tun und dabei ein riesengroßes Abenteuer erleben.

Oft steht uns nicht „es geht nicht“ im Weg, sondern „ich habe (noch) keine Idee, wie es (anders) gehen könnte“. Und genau dieses Wissen trage ich bis heute: dass oft so viel mehr möglich, als wir uns zutrauen. Das Leben mit Kind ist anders, aber das heißt nicht, dass wir auf alles verzichten müssen oder sollten.

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